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Brexit, der britische Bluff

2 Euro aus Griechenland

Entführung von Europa

EU und England am Exit. Die vergangenen Jahre geisterte der Begriff vom #grexit durch die Gazetten. Gemeint ist, dass Griechenland zuerst die Euro-Zone und dann die EU verlassen müsste, wenn die als Rettungspakete verschnürten Risiko-Übernahmen durch die anderen Länder der Euro-Zone und die Euro-Zentralbank nicht akzeptiert würden. Der Preis für die Risiko-Übernahmen war auch eine Fremdbestimmung durch die Troika. Der #grexit ist sprachlich ein schöner Begriff – ein Kampfbegriff. Denn er verbindet Ursache und Wirkung mit Logik und Konsequenz. Zudem macht ein #grexit die journalistische und politische Vermittlung einfach: Wenn A, dann B. Wenn nicht, dann #grexit.

Was passiert wäre, wenn man Griechenland aus der Euro-Zone genommen hätte, das bleibt Spekulation: Drachme, Abwertung, billiger Urlaub waren die Schlagworte, die von den griechischen Euro-Schulden, die in den Büchern der Banken zum Grexit-Stichtag hätten abgeschrieben werden müssen, ablenken sollten.

Jetzt erreicht die Diskussion um einen #brexit – dem Austritt von Großbritannien aus der EU – einen neuen Höhepunkt, dabei ist das Gerede um den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union so alt wie die Mitgliedschaft selbst. Auch der #brexit verbindet Ursache und Wirkung mit Logik und Konsequenz.

Premier Cameron muss beim EU-Gipfel möglichst viel herausschlagen, um den Briten den EU-Verbleib schmackhaft zu machen. Im Kampf um die kleinen, giftigen Details hat er ein Vorbild: Margaret Thatcher.
[ spiegel.de .. ]

Die Crux ist nämlich folgende: Cameron will nicht raus aus der EU. Er versprach lediglich ein Referendum über den Verbleib in der EU. Und weil er sich angesichts zunehmender Fremden-Feindlichkeit in Großbritannien über den Ausgang dieser Abstimmung nicht sicher sein kann, möchte er nochmals weitere Vorteile für die Insel herausholen, weil er dann meint, sein Volk gnädig zu stimmen, wenn dieses in einem Referendum über den Verbleib in der EU abstimmen sollte. Vielleicht noch im Sommer 2016. Sonst eben spätestens nächstes Jahr.

Die Steitpunkte:

  • Kindergeldzahlungen an EU-Ausländer
  • gekürzte Sozialleistungen für EU-Bürger
  • weniger Bevormundung der Briten aus Brüssel und
  • mehr Macht für lokale Parlamente.

Cameron will Ausnahmen für Großbritannien aushandeln, die in Grundzüge der EU eingreifen. Freizügigkeit gilt im Prinzip für alle EU-Bürger, nicht aber auf der Insel. Dort sollen vor allem Osteuropäer, die nach der Osterweiterung der EU (Polen, Tschechen, Ungarn) ins Vereinigte Königreich eingewandert sind, benachteiligt werden. Gekürzte Lohnersatzzahlungen und Lohnergänzungszahlungen setzen jedoch eine Dumping-Spirale in Gang, die auch den „heimischen“ Arbeitsmarkt erfassen wird. Und in Folge gerät dann der ohnehin angespannte Markt um „bezahlbaren“ Wohnraum unter Druck.

Anders herum betrachtet sollen die Fremden – die Migranten, auch Wirtschaftsflüchtlinge – in Großbritannien verelenden und einen teuren Preis für ihre EU-Freizügigkeit bezahlen. Das wird nicht funktionieren, und zwar weder isoliert auf den britischen Inseln noch mit Zustimmung der EU-Länder, deren Bürger sich in Großbritannien aufhalten. Es hilft auch nicht, die Osterweiterung vom 1. Mai 2004 als Fehler zu bezeichnen – wie in Großbritanien an der Tagesordnung.

Neo-liberale Rezepte sind nicht die Lösung, wenn man es versäumt hat, den Mindestlohn an die gestiegenen Lebenhaltungskosten anzupassen, und wenn man den sozialen Wohnungsbau vernachlässigt hat. Das sind britische Probleme, die die EU nicht lösen kann und die auch nicht verschwinden werden, wenn Großbritannien nicht mehr in der EU ist.

Mit dem Schlachtruf We want our Money back handelte Premierministerin Margaret Thatcher bereits 1984 einen Rabatt auf den EU-Beitrag aus. Seinerzeit sah man sich benachteiligt, weil Großbritannien weniger Agrarsubventionen kassierte als andere EU-Staaten. Inzwischen machen die Subventionen rund 50 Prozent der Einkünfte der UK-Landwirtschaft aus. Diese müssten im Falle des #brexit aus London allimentiert werden. Dafür spart man die Überweisung nach Brüssel. Dabei handelt es sich 2013 um einen Nettobetrag von umgerechnet rund 8,64 Milliarden Euro, der aus London nach Brüssel überwiesen wurde.

Ein #grexit wäre verherend gewesen für die Euro-Zone und damit auch für die EU. Der #brexit hingegen wäre zerstörerisch für die Briten selbst, nicht weil die nicht in der Euro-Zone sind, sondern weil das Königreich den Zugang zur EU verliert. Der Finanzplatz London würde von vielen Großbanken verlassen werden, wenn die City of London von der EU abgeschnitten wäre. Profitieren könnte Frankfurt.

Mit dem #brexit wird sich auf der irischen Insel eine EU-Außengrenze befinden, die den Iren, denn Großbritannien ist weder im Schengen-Raum noch im Euro, schon jetzt das Leben schwer macht. Und vielleicht kommen die Iren auf die Idee, sich von England loszusagen.

Abspaltungstendenzen gab es bereits in Schottland. Im September 2014 scheiterte die Initiative Yes Scotland denkbar knapp. Vor zwei Jahren wollten die Schotten mit dem Öl aus der Nordsee ihre Unabhängigkeit finanzieren. Das funktioniert beim aktuellen Ölpreis nicht. Schottland könnte aber im Falle des #brexit erneut abstimmen wollen und sich für Europa statt England und Euro statt Pfund entscheiden.

Wenn man jetzt aber sich vehement – mit vereinten Kräften – gegen den #brexit stemmt und zu weiteren Zugeständnissen bereit ist, dann bringt man vielleicht andere Länder und Regionen auf Ideen. Zum Beispiel: Die Griechen mit einem #grexit.

Der #brexit ist daher ein großer, britischer Bluff. Dabei ist es eine Schande, dass diese Situation entstehen konnte. Meiner Meinung nach ist sie dem merkelschen Diktat der Alternativlosigkeit geschuldet. Es fehlt der vorgeblich mächtigsten Frau der Welt die Vision, eine Wirtschaftsunion voranzutreiben, die sich nicht nur der sogenannten Wettbewerbsfähigkeit unterwirft. Auf der anderen Seite vom Kanal hat sich David Cameron von sogenannten EU-Kritikern in die Enge treiben lassen. Die EU braucht eher mehr Macht als weniger und ein neues Maastricht und keine weiteren Kampfbegriffe und Schlachtrufe.

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21 Antworten auf Brexit, der britische Bluff

  1. Matthias 19. Februar 2016 bei 15:58 #

    #brexit im Liveticker: Hollande (FR) sagt, es gebe noch ‚Hausaufgaben‘
    http://j.mp/1QoMDGL

  2. Matthias 19. Februar 2016 bei 16:47 #

    #brexit im Liveticker: Grexit im Brexit, denn Tsipras fordert offene Grenzen für alle
    http://j.mp/1osE4Om

  3. Matthias 20. Februar 2016 bei 21:39 #

    #deal #brexit
    „Großbritannien wird niemals Teil eines europäischen Superstaates sein und niemals den Euro annehmen.“ ( David Cameron, 19.2.2016 )
    http://j.mp/1SI7uoB

  4. Matthias 20. Februar 2016 bei 21:40 #

    #brexit im Liveticker: Referendum am 23. Juni
    http://j.mp/1SI7xAP

  5. Matthias 20. Februar 2016 bei 21:40 #

    #brexit live: Do you call this a deal, David?
    Das Referendum wird am zweiten Tag vom Glastonbury Music Festival abgehalten. 135.000 Besucher. Zudem werden sich viele Fußballfans bei der Euro 2016 in Frankreich befinden.
    http://j.mp/1SI7BQQ

  6. Matthias 20. Februar 2016 bei 21:40 #

    #brexit per Briefwahl
    http://j.mp/1SI7DZ5

  7. Matthias 20. Februar 2016 bei 21:41 #

    #brexit im Liveticker: Freiheit und Europa für Schottland
    http://j.mp/1SI7GUE

  8. Matthias 3. März 2016 bei 13:40 #

    #brexit live: Frankreich droht Großbritannien mit Grenzöffnung in Calais, denn ohne EU-Mitgliedschaft dürfte Großbritannien seine Grenzen erst in England schützen
    http://j.mp/1nj7EF9

  9. Matthias 9. März 2016 bei 14:32 #

    #brexit live : Queen backs Brexit
    Diese Äußerung wird sogleich vom Pressesprecher wieder eingefangen:
    The Queen remains politically neutral, as she has for 63 years ..
    http://j.mp/1LR1dEP

  10. Matthias 11. März 2016 bei 14:28 #

    #brexit im Liveticker: Starke Männer wie Putin finden den Brexit gut
    http://j.mp/1RDI0Dm

  11. Matthias 11. März 2016 bei 14:29 #

    #brexit im Liveticker: Schwache Banker wie Mark Carney, der Governor der Bank of England, findet den Cameron-Deal mit der EU gut. Seine Bank of England ist gegen #brexit
    http://j.mp/1pBjeNB

  12. Matthias 5. April 2016 bei 21:35 #

    #brexit durch #grexit: IWF will Schuldenerlass für Griechenland, aber vor der Brexit-Abstimmung möchte niemand über die Staatspleite in Griechenland reden.
    Doppelt dumm und a wie alternativlos:
    a) Ohne Schuldenerlass steigt der IWF aus dem Rettungspaket aus. EU und Deutschland müssen zahlen und würden den #brexit befördern.
    a) Mit Schuldenerlass müssen EU und Deutschland die Kreditbürgschaften zahlen und würden den #brexit befördern.

    b) Ohne Schuldenerleichterungen mag Griechenland seinen Rentnern nicht in die Taschen greifen. Da ist der wieder: der griechische Rentenreformluxusrentner.
    http://j.mp/1S93hoj

  13. Matthias 8. April 2016 bei 19:02 #

    #brexit wäre schlimm, sagt #grexit-Experte und Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis
    http://j.mp/1VdMTcy

  14. Matthias 12. April 2016 bei 22:06 #

    #brexit wäre schlimm, sagt der Internationale Währungsfonds (IWF). Das sind die, die einen Schuldenerlass in Griechenland wünschen.
    Die Schäden des Brexit wären nicht nur auf Europa beschränkt.
    http://j.mp/1MsyHKd

  15. Matthias 18. April 2016 bei 11:59 #

    #brexit im LIveticker: Großbritanniens stiller Abschied
    Plötzlich ist aus der polternden Drohung mit dem EU-Austritt eine sehr reale Möglichkeit geworden, wenngleich es immer noch schwerfällt zu glauben, dass eine Mehrheit der Briten das wirtschaftliche Risiko tatsächlich eingehen wird.
    http://j.mp/1SgaRyh

  16. Matthias 22. April 2016 bei 17:16 #

    Obama gegen #brexit wegen #ttip:
    When it comes to creating jobs, trade, and economic growth in line with our values, the UK has benefited from its membership in the EU – inside a single market that provides enormous opportunities for the British people. And the Transatlantic Trade and Investment Partnership with the EU will advance our values and our interests, and establish the high-standard, pro-worker rules for trade and commerce in the 21st century economy.
    http://j.mp/23ObgTz

  17. Matthias 4. Mai 2016 bei 22:46 #

    #ttip bringt neuen Spin für #brexit, denn nur ein #brexit kann #ttip für #uk verhindern
    http://j.mp/1NXgNjs

  18. Matthias 6. Mai 2016 bei 16:51 #

    Trump für #brexit und damit gegen #ttip für #uk
    http://j.mp/1TvJekS

  19. Matthias 10. Mai 2016 bei 20:01 #

    Europäische Zentralbank verlangt von Euro-Banken Planungen für den #brexit
    http://j.mp/1T9tiY8

  20. Matthias 16. Mai 2016 bei 16:04 #

    Downgrade: #brexit damaging Britain
    http://j.mp/1V680NB

  21. Matthias 25. Mai 2016 bei 09:42 #

    #brexit kostet 500.000 Jobs in England und führt in eine lange Rezession, läßt sich das königliche Schatzamt der Briten vorrechnen: Uncertainty, disruption and costs of leaving the EU (PDF)
    http://j.mp/1OMBLfM

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