Sonntagsfragen zum Sommerinterview. Vor einer Woche gab Friedrich Merz (13.7) dem deutschen Fernsehen ein Interview: Das Sommerinterview, gefolgt von der Sommer-Pressekonferenz (18.7) bei der Bundespressekonferenz, einem Verein von Journalisten. Wir schauen mal rein.
Beide Auftritte nutzte Merz für eine erste Bilanz und auch eine positive Darstellung von dem, was in der Union und auch vom Bundeskanzler als Wirtschaftswende und Migrationswende bezeichnet wird. In der Frage der abgesetzen Wahl von drei neuen Richer:innen für das Bundesverfassungsgericht spürte man das Unbehagen, denn nach zehn Wochen im Amt war es der Union nicht gelungen, die Regierungsmehrheit herzustellen. Das ist eine massive Führungsschwäche von Parteivorsitz (Merz) und Fraktionsversitz (Spahn), die spätestens nach der Sommerpause aufgelöst werden muss.
Andere Aussagen halten einer Überprüfung stand. Doch bei sozialen Reizthemen wie Bürgergeld und Mietkosten und der Vermögenssteuer liegt er falsch. In Großstädten würden beim Bürgergeld „teilweise bis zu 20 Euro pro Quadratmeter“ Mietkosten übernommen, sagt Merz. Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung seien das 2.000 Euro monatlich – für eine „normale Arbeitnehmerfamilie“ unbezahlbar.
Die genannte Zahl ist für bestimmte Städte wie München, Hamburg und im Umland von Frankfurt korrekt. Dort liegen die tatsächlich gezahlten Warmmieten durch das Jobcenter über 20 Euro /qm. In allen anderen Regionen sind die Kosten darunter. Die Regel ist also nicht flächendeckend, sondern betrifft besonders teure Ballungsräume. Jobcenter können im Einzelfall auch höhere Mieten übernehmen, etwa wenn es keine günstigeren Wohnungen gibt oder besondere persönliche Gründe vorliegen. Im Regelfall verlangen sie aber den Umzug in eine kleinere, günstigere Wohnung, denn die aktuelle Praxis sieht bereits eine Begrenzung der vom Staat anerkannten Miet- und Wohnungsgrößen für Bürgergeld-Empfangende vor.
Die Vermögenssteuer in Deutschland sei verfassungswidrig und werde daher nicht erhoben, behauptet Friedrich Merz. Diese Aussage ist unzutreffend. Das Bundesverfassungsgericht hat die damalige Ausgestaltung 1995 für unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz erklärt, nicht aber die Steuer selbst. Die Vermögenssteuer ist im Grundgesetz weiterhin ausdrücklich vorgesehen. Sie wurde seit 1997 nicht mehr erhoben, weil die Bemessungsgrundlage angepasst werden müsste – was bislang politisch nicht erfolgte. Eine neue verfassungsgemäße Ausgestaltung wäre grundsätzlich möglich und wäre auch durch die neu vereinheitlichte Grundsteuer abgebracht.
Mit Blick auf die bisherige Arbeit der schwarz-roten Koalition behauptete Merz, die Regierung habe den Koalitionsvertrag punktgenau eingehalten. Auch habe sie alle Gesetzesvorhaben durch den Bundestag bekommen, die noch vor der Sommerpause verabschiedet werden sollten. Das ist so nicht richtig, denn die Strompreise werden noch nicht für Verbraucher:innen gesenkt, sondern nur für Gewerbe und Industrie.
Merz betonte, Deutschland sei eine erwachsene Demokratie mit Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit ist im Grundgesetz umfassend geschützt, allerdings mit den bekannten Einschränkungen, etwa bei Volksverhetzung oder gezielter Verbreitung nachweislich unwahrer Fakten. Falschaussagen sind nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt, sofern sie wissentlich oder erwiesen falsch sind. Und in einem Punkt geht Merz selbst an diese Grenze als er behauptet, dass im Europäischen Parlament die „Sozialdemokraten häufiger mit den rechten Fraktionen zusammen gestimmt“ hätten als die Europäische Volkspartei (EVP). Diese Aussage lässt sich nicht seriös überprüfen. Viele der Abstimmungen im EU-Parlament finden nicht-namentlich statt, sodass die individuellen Befürworter und Gegner und damit ihre Fraktionszugehörigkeit nicht dokumentiert wird.
So bleibt in der Zusammenfassung stehen, was wir schon ahnten und auch wußten: Friedrich Merz macht in zentralen Punkten des Sommerinterviews teils zutreffende, teils unvollständige oder irreführende Aussagen. So pauschalisiert Merz bis an die Grenze des Zulässigen bei Bürgergeld, Mietkosten und Vermögenssteuer. Möge er die Sommerpause nutzen, um an seiner Führungsschwäche zu arbeiten.
Mit Material von tagesschau.de;
Bild von mir während einer Demo gegen Rechts