Hightech und Blech

AI arbeitet anders

Disruption am Dienstag. Die Digitalisierung hat einen neuen Zustand erreicht: Die Art, wie wir uns bewerben, wie Unternehmen Talente suchen und welche Karrieren überhaupt noch möglich sind, wird durch Künstliche Intelligenz tiefgreifend verändert.

Spam auf dem Schreibtisch

Mit dem einfachen Zugang zu generativer KI schreiben immer mehr Bewerber ihre Lebensläufe und Anschreiben mit intelligenten Tools. Die Qualität leidet: Unternehmen berichten, dass bis zu 30 Prozent der eingehenden Bewerbungen generisch oder qualitativ minderwertig sind, weil KI-Massenbewerbungen wie Spam auf den Schreibtischen landen. Das bremst den Auswahlprozess aus und erhöht die Wahrscheinlichkeit, gute Kandidaten zu übersehen. Gleichzeitig setzen viele HR-Abteilungen selbst auf Künstliche Intelligenz beim Sortieren und Ranken der Bewerbungen.

Während sich Bewerber und Unternehmen gegenseitig mit KI austricksen, herrscht in der Tech-Branche ein rasanter „War for AI-Talent“. Unternehmen wie Meta, Microsoft und Amazon bieten dreistellige Millionen-Summen, um die Top-AI-Expertinnen von der Konkurrenz abzuwerben. Strategien wie „Reverse Acqui-Hire“, bei denen Teams und Know-how ohne Übernahme der gesamten Firma abgeworben werden, zeigen: Wer KI-Expertise hat, sitzt am längeren Hebel. Das hebt das Lohnniveau in der Spitze und verschärft die Verknappung bei Expertinnen – sperrt gleichzeitig aber Berufseinsteiger:innen aus, die als Einsteiger:innen eben keine jahrelange Erfahrung haben.

Frisch in die Freiheit

Für Neulinge am Arbeitsmarkt sind die Aussichten besorgniserregend. In Europa sind die Einstiegsjobs in Tech-Firmen um 73 Prozent eingebrochen, auch in den USA steigen die Arbeitslosenquoten unter Absolventen spürbar. Laut aktuellen Umfragen planen 86 Prozent der Unternehmensführungen, Einstiegspositionen durch KI zu ersetzen – und jede sechste Firma hat dies laut einer Studie bereits getan. Bis zu 56 Prozent der Jobs für Berufseinsteiger:innen fallen in den kommenden fünf Jahren weg.

Angesichts dieser Radikalität ist die Grenze eindeutig überschritten. Wir stecken nicht in der kontinuierlichen Digitalisierung bestehender Prozesse, sondern bezeugen die tiefgreifende Disruption. KI schafft neue Geschäftsmodelle, schafft Jobprofile ab und verändert den Start in das Berufsleben fundamental.

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Die KI ist dabei, nicht nur die Arbeitswelt zu digitalisieren, sondern sie disruptiv umzubauen. Wer sich für die Zukunft rüsten will, muss sich weg von reinem Faktenwissen, hin zu anpassungsfähigen, kreativen und humanen Kompetenzen entwickeln – und KI als Werkzeug verstehen, nicht als Feind.

Die Musterlösung gibt es nicht, aber an den Schnittstellen von Technik, Sozialwissenschaften und Kreativität entstehen neue Profile, die nicht durch KI ersetzt werden können: kritisches Denken, Kreativität, emotionale Intelligenz und Kommunikation. Die entscheidende Frage ist daher nicht, welcher Job ersetzt wird, sondern wer lernt, im neuen System zu gestalten – mit, neben und trotz KI.