Sonntagsfrage. In jüngsten Umfragen wird die AfD stärkste politische Kraft, sollte am nächsten Sonntag gewählt werden. Um jedoch die AfD als politische Alternative wirksam zurückzudrängen und unter der Voraussetzung dies auch zu wollen, bedarf es eines Bündels an politischen Maßnahmen, die nicht nur an Symptomen, sondern an den Ursachen des gesellschaftlichen Rechtsrucks ansetzen. Realistische Chancen auf Umsetzung besitzen dabei vor allem Reformen, die die Demokratie stärken, gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern und entschlossen gegen Polarisierung sowie gezielte Desinformation vorgehen.
Die Bundesregierung hat bereits eine umfassende Strategie entwickelt, um die Demokratie resilienter gegen Extremismus zu machen: Zentrale Elemente sind verstärkte politische Bildung, Programme für demokratisches Engagement, der Ausbau von Jugend- und Bürgerbeteiligung sowie die konsequente Verteidigung von Minderheitenrechten. Die Stärkung der Zivilgesellschaft, beispielsweise durch Förderung lokaler Demokratieprojekte und die gezielte Unterstützung von Initiativen gegen Rassismus und Ausgrenzung, ist kurzfristig umsetzbar und genießt breite gesellschaftliche Akzeptanz.
Ebenso realistisch ist der Ausbau der Prävention und Strafverfolgung von Hasskriminalität – Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften für Hassdelikte, eine Verschärfung des Netzwerksdurchsetzungsgesetzes zur Eindämmung digitaler Hetze sowie der entschlossene Kampf gegen Desinformation bieten direkt messbare Hebel gegen rechtsextreme Mobilisierung. Die Regulierung sozialer Medien zur Erhöhung der Transparenz und Bekämpfung manipulativer Kampagnen ist politisch anschlussfähig, wenngleich technisch und juristisch anspruchsvoll.
Als Friedrich Merz antrat, die AfD unter die 5-Prozent-Hürde halbieren zu wollen, da stand sie bei 9 Prozent. Jetzt, wo er regiert und Bundeskanzler ist, steht die AfD bei 27 Prozent.
Mittelfristig verlangt der Kampf gegen den Rechtspopulismus tiefgreifende Sozial- und Strukturreformen. Die AfD profitiert nach Analysen der Hans-Böckler-Stiftung massiv von Ängsten vor sozialem Abstieg, Ungerechtigkeit und Unsicherheit, vor allem in Transformationsregionen und unter Arbeitnehmer*innen. Eine gerechtere Steuerpolitik und Transfermaßnahmen, gezielte Entlastung von Familien, Investitionen in Bildung, bezahlbaren Wohnraum und den Umbau der Wirtschaft für die Energiewende würden gerade jene Schichten erreichen, von denen sich die AfD zunehmend gewählt sieht.
Auch die Reform demokratischer Institutionen verdient Aufmerksamkeit: Der Schutz des Bundesverfassungsgerichts wurde bereits durch parlamentarische Initiativen gestärkt, um populistische Angriffe abzuwehren, die eine Aushöhlung rechtsstaatlicher Kontrollinstanzen zum Ziel haben. Solche Reformen sind in einer Großen Koalition aus Teilen der Union, SPD, Linke und Grüne mehrheitsfähig, benötigen aber einen langen Atem.
Polarisierende Positionen und Verbotsdebatte
Deutlich umstrittener und mit geringen Realisierungschancen behaftet ist die Forderung nach einem AfD-Parteiverbot. Die parlamentarische Debatte hierzu zeigt, dass es erhebliche rechtliche und politische Hürden gibt – ein Parteienverbot ist verfassungsrechtlich das schärfste Schwert und bindet Debattenenergie – ebenso wie viele Positionen der AfD vor allem der bewussten Spaltung dienen. Dazu gehören etwa eine Abschaffung integrationsfördernder Bleiberechtsregelungen, die Forderung massiver Remigration die Schaffung von Gewahrsamszentren. Dies sind gezielte Botschaften an eine radikalisierte Anhängerschaft und sollen Ängste schüren. Die ökonomisch unsinnigen Pauschalvorschläge – etwa Steuerdumpingprogramme ohne Gegenfinanzierung – dienen der Inszenierung als Partei des Wahren Volkswillens und zielen explizit auf maximalen Konflikt, nicht auf tragfähige Lösungen.
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Das Zurückdrängen der AfD benötigt eine entschiedene, aber kluge Balance zwischen kurzfristig populären Maßnahmen in politischer Bildung, Stärkung der Justiz, Kampf gegen Hass und ambitionierten Reformen hin zu sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Teilhabe. Symbolische Polarisierung, wie sie der AfD inhärent ist, darf progressive Politik dabei nicht übernehmen, sondern muss auf Werte, Fakten und gesellschaftliche Kohärenz setzen. Nur so kann der gesellschaftliche Rückhalt für einen modernen, wehrhaften und gerechten Rechtsstaat wieder wachsen.