
#twittwoch im Netz der Netze. Die EU belegt Elon Musk mit einer Strafe wegen fehlender Transparenz, Google muss sich für AI-Anwendungen rechtfertigen und auch bei Meta und deren werbefreien Angeboten ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Chancen, dass die EU im Machtkampf mit X, Google und Meta die Interessen ihrer Bürger durchsetzt, sind besser als je zuvor – aber der Erfolg hängt davon ab, ob Brüssel seine neuen Kompetenzen konsequent, schnell und politisch standfest nutzt.
Mit dem Digital Services Act (DSA), dem Digital Markets Act (DMA) und der neuen KI-Verordnung verfügt die EU über ein Instrumentarium, das globale Digitalkonzerne erstmals systematisch regulieren kann. Der DSA erlaubt es, Plattformen wie X wegen fehlender Transparenz bei Werbung, Forscherdaten und Account-Verifizierung zu sanktionieren, der DMA zielt auf gatekeeper wie Google und Meta, und der AI Act setzt Grenzen und Pflichten für KI-Systeme und AI-Modelle.
Entscheidend ist: Diese Regeln gelten unmittelbar in allen Mitgliedstaaten und sind mit empfindlichen Bußgeldern verknüpft, die sich an weltweiten Umsätzen orientieren. Die Verfahren laufen zudem zentral bei der EU-Kommission, was die Gefahr nationaler Alleingänge oder des Forum-Shopping der Unternehmen verringert.
Die Millionenstrafe von 120 Millionen Euro gegen Musks Plattform X ist der erste große Praxistest für den DSA. Geahndet werden mangelnde Transparenz bei den Verifizierungshäkchen, fehlender Datenzugang für Forschung und unzureichende Offenlegung von Werbung – alles Punkte, die direkt mit demokratischer Öffentlichkeit und Missbrauchsrisiken zusammenhängen.
Rechtlich ist dieser Schritt ein Signal in zwei Richtungen: nach innen, dass Brüssel bereit ist, seine Regeln nicht nur zu verkünden, sondern durchzusetzen; nach außen, dass auch ein globaler Milliardärsbetrieb nicht außerhalb europäischer Normen agieren kann. Ob die EU diesen symbolträchtigen Fall vor Gericht verteidigen kann, wird zum Lackmustest für die Glaubwürdigkeit der neuen Digitalordnung.
Bei Google stehen weniger spektakuläre Einzelstrafen als vielmehr strukturelle Vorgaben im Vordergrund. Der AI Act zwingt Anbieter von Hochrisiko-KI und großen Basismodellen zu Risikoprüfungen, Transparenz über Trainingsdaten und Kontrollmechanismen, um Diskriminierung, Manipulation oder sicherheitsrelevante Fehlfunktionen zu begrenzen.
Gerade bei generativen KI-Diensten liegt die Stärke der EU eher in der Vorfeldregulierung: Vorschriften greifen, bevor Schäden massenhaft auftreten, etwa bei biometrischer Überwachung oder manipulativen Empfehlungssystemen. Die Schwäche bleibt die Geschwindigkeit – KI entwickelt sich schneller als Brüsseler Kompromisse, und Vollzugsstrukturen wie das neue AI Office müssen sich organisatorisch und personell erst finden.
Metas werbefreies Abo ist zur Nagelprobe dafür geworden, wie ernst die EU das Grundrecht auf Datenschutz nimmt. Wenn Nutzer faktisch gezwungen sind, entweder für Datenschutz zu zahlen oder umfassendem Tracking zuzustimmen, sehen Kommission und Datenschützer darin keinen freien Willensakt, sondern eine ökonomische Nötigung.
Die Feststellung, dass Metas Modell gegen DSGVO und DMA verstößt, geht über Symbolik hinaus, weil sie eine grundsätzliche Linie zieht: Ein kostenloses, trackingfreies Angebot als echte Alternative wird zur Voraussetzung für wirksame Einwilligung. Gelingt es der EU, diese Linie vor Gericht zu halten, hätte das Folgen weit über Meta hinaus – für Geschäftsmodelle des werbefinanzierten Internets insgesamt.
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Die EU ist stark, wenn es um Marktgewicht, Normsetzung und langfristige Strukturvorgaben geht, schwach bleibt sie dort, wo Geschwindigkeit, politische Geschlossenheit und technisches Know-how gefragt sind. Konzerne mit riesigen Rechtsabteilungen nutzen jedes Rechtsmittel, Prozesse ziehen sich, und die technische Asymmetrie zwischen Aufsicht und Unternehmen bleibt beträchtlich. Die Chancen steigen, dass die Interessen der EU-Bürger nicht nur auf dem Papier stehen. Hohe Bußgelder, unmittelbar geltende Verordnungen und eine wachsende europäische Aufsichtsinfrastruktur schaffen erstmals glaubhafte Drohkulissen und Anreize zur Kooperation. Entscheidend wird sein, ob Brüssel die ersten großen Verfahren – gegen Musk, Meta und KI-Schwergewichte wie Google – nicht nur eröffnet, sondern rechtssicher gewinnt und politisch aushält.

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