
Mac-Montag. Apple erlebt derzeit den größten Führungsumbau seit dem Tod von Steve Jobs – ein koordinierter Generationswechsel, der Risiken birgt, aber mittelfristig die Weichen für eine stärker AI‑getriebene Produktstrategie stellen kann. Für die Konsumprodukte heißt das ein mehr an KI‑Funktionen, Interface‑Design und neue Gerätekategorien – vorausgesetzt, die neue Riege liefert schnell sichtbar ab.
Innerhalb weniger Monate haben oder werden gleich mehrere Schlüsselfiguren ihren Posten räumen: COO Jeff Williams, seit Jahrzehnten zentral für Produktion und Lieferkette, tritt in den Ruhestand, ebenso CFO Luca Maestri, der Apples Hyperprofitabilität mit abgesichert hat. Ebenfalls auf dem Absprung sind Umwelt‑ und Politikchefin Lisa Jackson sowie Chefjuristin Kate Adams, die das Unternehmen durch Regulierungsfragen von Datenschutz bis App‑Store-Gebühren navigiert haben.
Besonders schmerzhaft sind die Abgänge im Zukunftsportfolio: KI‑Chef John Giannandrea geht in den Ruhestand, Interface‑Designchef Alan Dye wurde ebenso wie weitere Designverantwortliche von Meta abgeworben, und auf der KI‑Seite haben zuletzt mehrere leitende Entwickler für Foundation‑Modelle, Suche und Robotik mit ganzen Teams zu Meta gewechselt. Damit verliert Apple geballte Expertise in genau den Bereichen, in denen die Konkurrenz aktuell am stärksten Druck macht. Zu allem Überfluss sprichen Manager wie Johny Srouji als hoch angesehener Chipchef bei Apple darüber, das Unternehmen zu verlassen.
Der Umbau ist jedoch kein Vakuum, sondern folgt hoffentlich einem klaren Besetzungsplan. Die interne Aufmerksamkeit bündelt sich zunehmend auf ein neues Machtquartett: Hardwarechef John Ternus, Dienstechef Eddy Cue, Softwarechef Craig Federighi und der neue COO Sabih Khan, die allesamt mehr Befugnisse erhalten. Ternus soll zusätzlich Robotik und smarte Brillen verantworten – Felder, aus denen Apple künftige Wachstumsimpulse erwartet und die direkt ins Konsumgütergeschäft einzahlen.
In Schlüsselrollen werden zudem erfahrene Neuzugänge und Apple Veterans platziert. Alan Dye wird im Interface‑Design durch Stephen Lemay ersetzt, der seit den späten 1990ern an praktisch jedem wichtigen UI mitgearbeitet hat und intern auf breite Zustimmung stößt. Die Nachfolge von Giannandrea tritt Amar Subramanya an, ein langjähriger KI‑Stratege aus Google‑ und Microsoft‑Umfeld, während Jennifer Newstead, bislang bei Meta, ab 2026 als neue General Counsel die juristische Front gegen globale Regulierer übernehmen soll. Newstead tritt am 1. März 2026 die Nachfolge von Kate Adams an und übernimmt auch den Bereich Environment, Policy and Social Initiatives. Die Teams Environment and Social Initiatives werden dann an Sabih Khan, Chief Operating Officer von Apple, berichten.
Lesbar ist der Personalumbau als Vorbereitung auf den Abschied von Tim Cook, der laut mehreren Berichten um 2026 herum seinen Rückzug plant und mit Ternus einen hardware‑ und technologieorientierten Nachfolger aufbaut. Parallel schafft sich Apple Spezialkompetenz in KI, Design und Regulierung – also genau dort, wo der Konzern zuletzt als zu zögerlich kritisiert wurde, etwa bei generativer KI oder beim Einstieg in neue Produktkategorien wie Vision Pro und jenseits des gescheiterten Autoprojekts.
Für das Kerngeschäft aus iPhone, Mac, Watch und Services könnte das bedeuten, dass KI‑Features nicht mehr nur als Zusatz, sondern als zentrales Differenzierungsmerkmal gedacht werden – von On‑Device‑Assistenten über personalisierte Interfaces bis hin zu neuen Abo‑Diensten rund um produktive und kreative Anwendungen. Die starke Stellung von Federighi im KI‑Thema deutet darauf hin, dass Software‑ und Systemintegration zur Bühne wird, auf der Apple sich im Wettbewerb mit Google, Microsoft und Meta profilieren will.
Kurzfristig drohen Reibungsverluste: Der Verlust kompletter KI‑Teams und erfahrener Operations‑Manager kann Produktroadmaps verzögern und erhöht das Risiko, dass Apple in zentralen Zukunftsfeldern noch stärker in Rückstand gerät. Auch kulturell ist der gleichzeitige Abgang mehrerer Lifetimer ein Bruch mit der traditionell extrem stabilen Führung, die Cooks Ära geprägt hat.
Mittelfristig eröffnet der Umbau aber Spielräume, die Apple zuletzt fehlten. Ein KI‑Chef mit Big‑Tech‑Erfahrung, ein von der Belegschaft getragener Designleader und ein potenzieller CEO mit starkem Hardware‑Profil können das Unternehmen näher an die experimentierfreudigere DNA der Jobs‑Jahre heranführen – ohne auf die Effizienzgewinne der Cook‑Ära zu verzichten. Gelingt es, diese neue Führungsarchitektur in konkrete Produkte zu übersetzen – etwa KI‑zentrierte iPhones, AR‑Brillen oder neue Service‑Pakete – könnte die aktuelle Rochade rückblickend als notwendige Häutung eines Konzerns gelten, der an der Schwelle seiner zweiten KI‑Dekade steht.

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