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Freie Fahrt voraus

Hochbahn U4 Überseequartier

Würden mehr Menschen in die Hafencity fahren, wenn der HVV kostenlos wäre?

Dicke Luft durch #dieselgate. Durch schlechte Luft in deutschen Städten und durch den vorsätzlichen Abgasbetrug der deutschen Automobil-Industrie unter der Federführung von Audi und Volkswagen, aber auch bei Daimler und Opel sowie Porsche stehen Bürgermeister in Städten mit zu schlechten Luftmesswerten sowie die Bundesregierung unter Druck.

Gegenüber der EU-Kommission muss die kommissarische Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) einen Aktionsplan entwickeln, wie die Grenzwerte (endlich) eingehalten werden können. Es droht ein EU-Verfahren wegen Luftverschmutzung und vor deutschen Verwaltungsgerichten drohen Fahrverbote für Diesel, welche die Politik jedoch händeringend und glaubwürdigkeitswahrend aber trotzdem mit einer spürbaren Verzweifelung vermeiden möchte.

In den Gremien wird bereits von verpflichtenden und strengen Fahrverboten ausgegangen, denn Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) informieren EU-Umweltkommissar Karmenu Vella über die Möglichkeit, den ÖPNV kostenfrei für Nutzer anzubieten und dies in Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim testen zu wollen [ politico.eu/newsletter/morgen-europa ].

Freier öffentlicher Nahverkehr: Zusammen mit den Ländern und der kommunalen Ebene erwägen wir, den öffentlichen Nahverkehr gratis anzubieten, um die Zahl der Privatfahrzeuge zu reduzieren.

Vorgeschlagen werden auch andere Maßnahmen wie zum Beispiel steuerliche Maßnahmen, um die Flottenerneuerung zu fördern und wirksame Verkehrsbeschränkungen in ausgewiesenen Straßen. Lokale Fahrverbote befinden sich demnach bereits in der Planung, weil sie sehr wahrscheinlich sind.

Auf ein großes Echo trifft der kostenlose Nahverkehr. Pro Jahr sei es in Hamburg so teuer wie eine Elbphilharmonie. Also irgendetwas zwischen unvorstellbar bis unmöglich, rechnet der Sprecher vom HVV vor, der sich eigentlich freuen müsste, das Marketing für den Zeitkartenverkauf in teils willkürlichen und teils historischen Tarifbereichen einsparen zu können. Jährlich eine Elbphilharmonie, was für ein toller Maßstab:

  • 1 Elbphilharmonie: Das Äquivalent von 866 Millionen Euro
  • BER: derzeit 5,5 Milliarden Euro, bis zur Fertigstellung etwa 10 bis 12 Elbphilharmonien
  • Stuttgart 21: Bahn kalkuliert mit 9,5 bis 10 Elbphilharmonien
  • Berlin Stadtautobahn: Der genau vier Kilometer lange Bauabschnitt soll 531 Millionen Euro oder 0,6 Elbphilharmonien kosten.
  • Das katholische Erzbistum Hamburg muss fünf von 21 Schulen schließen, weil 0,0927 Elbphilharmonien in der Kasse fehlen. Ganz schön knauserig von Gottes Gnaden Hochwohlgeboren. [ NDR ]
  • HSH-Nordbank: Bürgschaften über 11 bis 21 Elbphilharmonien [ ndr ]

Drei von diesen Projekten verantwortete Alexander Dobrindt als Verkehrsminister. Die Aufsicht über die Automobilindustrie und ihren Abgasbetrug fiel ebenfalls in seine Zuständigkeit. Als Minister ist der CSU-Mann damit ein Totalausfall, aber darum soll es gar nicht gehen. Es gibt Projekte in Deutschland, die viel Geld kosten und deren Nutzen – einschließlich dem der Elbphilharmonie – außer Frage stehen.

Kostenfreier Nahverkehr kann einen Nutzen haben, wenn man die Autos von der Straßen holen möchte. Allerdings steigt niemand um vom Auto, weil der Bus oder die Bahn plötzlich kostenlos ist. Transport ist nicht nur Von A nach B und zurück nach A sondern ein Stück Lebensqualität. Dazu gehört die Nähe zu Haltestellen oder Parkplätzen. Dazu gehören Sauberkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit.

Wer im Umland wohnt, wo einmal in der Stunde der HVV-Bus 7550 kommt, der dann auch noch doppelt so lange braucht wie das eigene Auto, da wird niemand für eine Stecke von Oering zum Ochsenzoll auf den Bus umsteigen, weil der kostenlos ist.
Wenn man aber von Pinneberg zum Pinnasberg mit der S-Bahn genau so lang unterwegs ist wie mit dem Auto und dort sowieso keinen Parkplatz finden wird, dann könnte ein kostenfreier Nahverkehr eventuell wirken.
Parkplätze und Preise für Parkplätze induzieren Auto-Verkehr. Wer die Autos als Luftschadstoffquellen aus der Stadt verbannen möchte, der muss den Autos die Fläche entziehen. Zuerst die Parkplätze. Warum sind nicht alle Parkplätze in der Stadt bewirtschaftet? Warum werden notorische Falschparker nicht behandelt wie notorische Schwarzfahrer? Als Straftäter! Es ist zu billig, mit seinem Auto-Eigentum (Status, Macht, Beweglichkeit) das Gemein-Eigentum (Platz, Ruhe, Gesundheit) zu belasten.
Zudem ist der Weg in die Stadt immer noch zu attraktiv für das Auto. Jede zwei-spurige Straße muß eine Spur abgeben für einen geschützten Radweg. Dazu müssen alle Ampelschaltungen angepasst werden an Radfahrer – und nicht an Autofahrer, die bei Gelb noch beschleunigen.
Auf Straßen mit Buslinien sollten neben den Busen nur noch Taxen und Fahrradfahrer zugelassen sein. Dann braucht man an diesen Straßen auch keine Parkplätze mehr.
Und in diesem für Fahrräder und Busse optimierten urbanen Raum kann man dann gerne über kostenlosen, barrierefreien und fahrscheinlosen Nahverkehr nachdenken. Denn dann macht er Sinn.

Und jetzt noch einmal zu den Preisen für kostenlosen Nahverkehr. Für 2016 sind die Zahlen veröffentlicht. Demnach nahm der HVV mit 770 Millionen Fahrgästen 825 Millionen Euro ein. In den zurückliegenden fünf Jahren steigerte der HVV die Einnahmen stärker als die Fahrgastzahlen. Plus 19,2 Prozent gegenüber einem Plus von 7,4 Prozent von 2015 auf 2016.
Der HVV ist ein Verbund aus mehreren Verkehrsbetrieben wie Bahn und Hochbahn.
Die Bahn machte 2016 einen Gewinn von 1,9 Milliarden Euro.
Die Hochbahn schreibt 2016 eine Verlustübernahme von 50 Millionen in den Konzernabschluss der Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV).
Natürlich müsste man sich die Einnahmen-Seite beim HVV und bei der Hochbahn noch genauer anschauen, aber kostenloser Nahverkehr kostet nicht die Fahrscheineinnahmen von 825 Millionen Euro im HVV. Sondern den Verlust von 50 Millionen noch dazu: 1 Elbphilharmonie.

Die nächste Frage: Will man den Gesamtbereich des HVV kostenlos anbieten? Ich denke, der Gesamtbereich kann gar nicht alternativ zum Auto angeboten werden – vom Ochsenzoll nach Oering in einer Stunde. Es wäre eher der Innenstadt-Bereich innerhalb von Ring 3 oder innerhalb von Ring 2, wenn man die Stadt ab Ring 2 auto-frei gestaltet. Oder innerhalb des U3-U-Bahn-Ringes (Schlump – Hauptbahnhof – Barmbek – Kellinghusenstraße – Schlump).
Busse und Bahnen der Hochbahn beförderten 2016 rund 444 Millionen Fahrgäste von 770 Millionen im HVV. Das sind 56 Prozent. Und dann kostet kostenloser Nahverkehr in Hamburg keine ganze Elbphilharmonie mehr, sondern nur noch eine halbe.

Wenn man dann noch schaut mit welchen Summen die Allgemeinheit jährlich etwa Dieselkraftstoffe ( 8 Milliarden / 9 Elbphilharmonien ), Pendlerpauschale ( 5,1 Milliarden / 6 Elbphilharmonien ) und Dienstwagenüberlassung ( 5 Milliarden / 6 Elbphilharmonien ) unterstützt. Das Geld wäre da. Sogar VW-Chef Matthias Müller fordert ein Umdenken bei den Diesel-Subventionen für eine nachhaltige Verkehrswende.
Bitte sehr. Keine Ursache.

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3 Antworten auf Freie Fahrt voraus

  1. Matthias 17. Februar 2018 bei 19:37 #

    Der PKW-Verkehr in einer deutschen Großstadt kostet die öffentliche Hand und die Allgemeinheit etwa das Dreifache wie der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Denn der PKW-Verkehr erfordert zwar durchaus auch – wie der ÖPNV – Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und deren Unterhalt, bringt aber den Kommunen keine unmittelbaren Einnahmen wie der ÖPNV.
    http://j.mp/2sz3X6v

  2. Matthias 28. Februar 2018 bei 21:53 #

    Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz verkauft die HSH-Nordbank an US-Investoren zum Kaufpreis von rund 1 Milliarde Euro. Allerdings müssen sich Hamburg und Schleswig-Holstein Verluste auf früheren Jahren in Höhe von 14 Milliarden Euro teilen. Das sind zwölf Elbphilharmonien oder zwei BER.
    http://j.mp/2t5dHFB

  3. Matthias 28. Februar 2018 bei 22:18 #

    Damit der Flughafen BER im Jahr 2020 eröffnen werden kann, benötigt die Flughafengesellschaft 770 Millionen Euro mehr als bisher geplant. Das geht aus dem neuen Businessplan hervor. Insgesamt steigen die Kosten dann auf knapp 7,3 Milliarden Euro – geplant waren für den Flughafenbau einmal rund zwei Milliarden Euro.
    http://j.mp/2FF9PxU

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