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Verantwortung nicht verdient

Verantwortung nicht verdient

Facebook-Datenmengen. Facebook schaltet Anzeigen auf Papier, um die Mitteilung von Mark Zuckerberg zu verbreiten. Diese erschienen in den Wochenendausgaben von überregionalen Zeitungen wie New York Times, Washington Post und Wall Street Journal in den USA und in Großbritannien in Zeitungen wie Sunday Telegraph, Sunday Times, Mail on Sunday, Observer, Sunday Mirror und Sunday Express aber auch im Guardian, der zusammen mit New York Times juristisch an der Veröffentlichung der Cambridge-Analytica-Daten-Leaks gehindert werden sollte.

Mit weiteren drei Tagen Verspätung kauft Facebook ganzseitige Anzeigen bei BilD, FAZ und SZ.

Es ist unsere Verantwortung, deine Informationen zu schützen. Wenn wir das nicht können, haben wir diese Verantwortung nicht verdient.
[ Mark Zuckerberg ]

Die Übersetzung ist nicht ganz so glücklich formuliert. Zuckerberg spricht die Leserschaft auf englisch an mit den Worten: We have a responsibility to protect your information. If we can’t, we don’t deserve it. [ 24.3 ]

Sprachlich weichen die beiden Statements etwas ab vom ersten Posting von Mark Zuckerberg. Fünf Tage nach Bekanntwerden des laschen Umgangs mit den Daten der Nutzer durch Kunden von Facebook:
We have a responsibility to protect your data, and if we can’t then we don’t deserve to serve you. [ 21.3 ]

Facebook modifiziert die Zuckerberg-Statements behutsam und mit Bedacht.

  • protect your data [ 21.3 ]
  • protect your information [ 24.3 ]
  • deine Informationen zu schützen [ 27.3 ]

Informationen sind deutlich positiver als Daten. Jeder wünscht mehr Informationen, aber Daten – in den Händen der Falschen – sind böse. Facebook weiß das. Und deswegen sind Informationen auch menschlicher als technische Daten. Aber bei der deutschen Übersetzung versagt der Weichspüler, obwohl sich bing.com/translate und deepl.com ganz viel Mühe geben.

Das erste Statement von Zuckerberg ist roh, grob und ehrlich:

  • we don’t deserve to serve you [ 21.3 ]
  • Wir verdienen es nicht, Dir/Euch zu dienen

Das zweite Statement verkürzt auf we don’t deserve it und verwischt die Bezüge. Wer oder was ist dieses it? Die Daten? Die Informationen? Dich und mich? Das Vertrauen der Kunden? Das Vertrauen der Nutzer?
Dank dieser unklaren Bezüge offenbart die deutsche Sprache die Strategie von Facebook: Verschleierung.

Eine deutsche Übersetzung hätte lauten müssen:
Es ist unsere Verantwortung, deine Informationen zu schützen. Wenn wir das nicht können, haben wir [Dein Vertrauen] nicht verdient.
Aber das wäre zu ehrlich für Facebook. Wenn sie es nicht können, sind sie der Verantwortung nicht gewachsen. Vertrauen muss man verdienen. Verantwortung muss man übernehmen. Weder das eine noch das andere möchte Facebook gesagt haben.

Und daher geht die Facebook-Vertrauensaffäre um die Nutzer-Daten in den Händen von Cambridge Analytica, die zu späteren Zeitpunkten geschäftliche Beziehungen mit Facebook auf der Basis dieser Daten pflegten, weiter. Auch oder gerade weil Facebook verspricht, in Zukunft noch besser arbeiten zu wollen.

Und sonst so?
Letzte Woche Donnerstag (23.3) erwartete der Digitalausschuss des Bundestages von Facebook Antworten im Datenskandal. Doch das US-Unternehmen schickte Semjon Rens, der den Abgeordneten die Pressemitteilungen der Vortage vorgelesen hat [ zdf.de ].
Am Montag (26.3) traf dann die Justizministerin Katarina Barley (SPD) den europäischen Facebook-Politikchef Richard Allan in Berlin. Das Treffen dauerte etwas länger als erwartet. Im Anschluss streamte die Ministerin ihre Zusammenfassung bei Facebook und Twitter. Im Wesentlichen gab sie die Pressemitteilungen von Facebook der Vortage wieder. Wie viele von den 50 Millionen Datensätzen zu deutschen Nutzern gehören, kann man noch nicht sagen, soll aber ermittelt werden. Später dann möchte Facebook die Betroffenen direkt informieren, lässt Richard Allen von Facebook die deutsche Justizministerin Katarina Barley im Kabinett Merkel IV sagen.

Irgendwie fällt es schwer, zu glauben, dass ein Unternehmen, das vorgibt, alles über seine Nutzer zu wissen und vermarkten zu können, nicht weiß, wer betroffen ist. Facebook weiß doch auch, wer von den 32 Millionen aktiven deutschen Nutzern täglich mit dem Smartphone online geht.

Und anderswo?
tagesschau.de: EU-Justizkommissarin Vera Jourova hat von Facebook die Aufklärung des Datenskandals gefordert. In einem Brief an Geschäftsführerin Sheryl Sandberg drängt sie auf eine Stellungnahme.

bbc.com: Nach der Osterpause werden entweder Mike Schroepfer (CTO) oder Chris Cox (CPO, chief product officer) aus dem Management vor Abgeordneten in UK erscheinen.

theinquirer.net: Facebook muss in Süd-Korea eine Strafe von rund 370.000 US-Dollar zahlen, weil Facebook lokale Daten über Hong Kong und die USA routet, statt Provider vor Ort zu nutzen. Bemängelt werden langsame Internet-Verbindungen. Allerdings gibt es auch noch einen Sicherheitsaspekt, denn in Hong Kong wird China und in den USA die NSA in den Datenstrom schauen.

slashdot.org: Die Abteilung Immigration and Customs Enforcement (ICE) vom U.S. Department of Homeland Security (DHS) soll Daten von Facebook nutzen, um illegale Einwanderer in den USA aufzuspüren und bis zur Abschiebung festzusetzen.

Vor fünf Jahren setzte sich Zuckerberg noch ein für die Rechte von Einwanderern – darunter illegale und viele junge Talente – jetzt nutzen Innenbehörden und Geheimdienste die Daten von Facebook.

thedailybeast.com: Ein von Facebook unterstützter Gesetzesentwurf sieht vor, dass Facebook Daten an Behörden und Regierungsstellen rausgeben kann – ohne dass ein richterlicher Beschluss vorliegen müsste. Das ist der sogenannte Cloud Act, der von Trump unterschrieben ist.

apnews.com: Laut Chris Wylie nutzte Cambridge Analytica auch neuere und weitere Daten von Facebook für den Brexit und für Trump, allerdings arbeitete er zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr für das Unternehmen.

Und was hat das mit mir zu tun?
bloomberg.com: Facebook hilft zwielichtigen Werbern, ihre Botschaften im Internet bekannt zu machen und unters Volk zu bringen.

New York Times: Facebook CSO Alex Stamos verlässt das Unternehmen zum August 2018. Bereits im Dezember gab Stamos seine Verantwortung ab. Als Sicherheitschef kümmert er sich aber immer noch um Fragen der Sicherheit, allerdings wurde sein Team von 120 Leuten auf drei eingedampft. Im Gegensatz zu anderen Managern bei Facebook wollte Stamos den russischen Aktivitäten auf der Plattform umfangreicher nachgehen.

fortune.com: Cambridge Analytica Whistleblower Chris Wylie von Facebook gesperrt.

politico.eu: Cambridge Analytica CEO Alexander Nix suspendiert – angeblich wegen einer anderen Sache. Das Arbeitsrecht kennt andere moralische Maßstäbe.

So sieht das aus, wenn man seine Verantwortung nicht verdient.

[ Bild: flic.kr/p/25trVbd Some rights reserved ]

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