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Pofalllala² und der englische Patient

Auch in der vergangenen Woche arbeitet sich unsere Bundesregierung ab am Umstand, dass NSA (USA) und der britische Geheimdienst GCHQ den Internetverkehr komplett mitschneiden – und zwar dort, wo Seekabel (Glasfaser) England verlassen und in Neu-England ankommen. Ungeachtet neuer Enthüllungen über Ermittlungspannen wie der gänzliche unbeabsichtigten Vergessens der Auslandsvorwahl, so dass statt Ägypten (011 20 – aus den USA) die Hauptstadt Washington D.C. (Vorwahl-Gebiet: 202) aufgeklärt wurde, erklärt Ronald Pofalla, Chef des Kanzleramts, die NSA-Affäre für beendet.

In one instance, the NSA decided that it need not report the unintended surveillance of Americans. A notable example in 2008 was the interception of a “large number” of calls placed from Washington when a programming error confused the U.S. area code 202 for 20, the international dialing code for Egypt, according to a “quality assurance” review that was not distributed to the NSA’s oversight staff.
[ washingtonpost.com .. (16. August) ]

Aus dem Pressestatement von Kanzleramtsminister Pofalla nach der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 12. August 2013:

Deshalb fasse ich zusammen: Recht und Gesetz werden in Deutschland nach Angaben der NSA und des britischen Nachrichtendienstes eingehalten. Die Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger in Deutschland werden gewahrt. Selbstverständlich handeln auch unsere Nachrichtendienste nach Recht und Gesetz. Dabei haben sie viele Anschläge – darauf bin ich eingegangen – gegen deutsche und amerikanische Soldaten verhindert.
[ bundesregierung.de .. (12. August) ]

Dazu Sascha Lobo bei Spiegel online:

Die Spähaffäre wird zur Affäre der Regierung Merkel, weil Kanzleramtsminister Pofalla die Totalüberwachung per Wortklauberei deckt.
[ spiegel.de .. (13. August) ]

Und zeitgleich zu neuen Enthüllungen in den USA erklärt Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich im Interview mit Rheinische Post online:

Alle Verdächtigungen, die erhoben wurden, sind ausgeräumt. Fest steht: Es gab keine „massenhaften Grundrechtsverletzungen“ amerikanischer Geheimdienste auf deutschem Boden, wie behauptet wurde.
[ www.bmi.bund.de .. (16. August) ]

Dinge, die es nicht gibt, wie „verhinderte Anschläge“ und „Gesetzestreue“ sollen beruhigen, während Friedrich gleichzeitig das Meme vom Internet als rechtsfreier Raum aufrecht erhält:

Welche Daten die US-Behörden in den USA von dortigen Internet-Unternehmen bekommen, richtet sich nach amerikanischen Gesetzen. Das sollte jeder wissen, der seine Daten auf den Servern ausländischer Unternehmen ablegt.
[ www.bmi.bund.de .. (16. August) ]

Doch die Regierung spricht nicht mit einer Stimme. Ein Quentchen Hoffnung keimt, wenn sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu Wort meldet. In einem Gastbeitrag zur Ausspäh-Affäre in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ skizziert die Ministerin die verschiedenen Schritte, die als Konsequenz nun unternommen werden:

Prism, Tempora und die Vorratsdatenspeicherung fußen auf einem totalen Kontrollgedanken. Es darf aber nicht jeder Bürger als möglicher Terrorist oder Straftäter behandelt werden. Wohin diese Logik führt, ist oft genug beschrieben worden – dieser Schrecken, der im Kinosessel fasziniert, bedeutet in der Realität das Ende der individuellen Freiheit: Eine Gesellschaft ist umso unfreier, je mehr sie überwacht wird.

Deswegen ist die Debatte nicht beendet. Eine ehrliche Antwort auf die Frage, wie weit wir mit der Aufklärung sind, kann nur lauten: mittendrin. Die von den Amerikanern angekündigte Deklassifizierung dauert genauso an wie die Arbeit einer eigens eingerichteten Expertengruppe zwischen der EU und den Vereinigten Staaten. Gleichzeitig hat in den Vereinigten Staaten eine Debatte begonnen, die erstmals die Arbeit der NSA hinterfragt.
[ (15. August) – Hervorhebung von mir ]

Durch Wikileaks-Enthüllungen rund um Prism ist bekannt:

  • verschlüsselte Daten werden komplett gespeichert, denn man könnte sie ja irgendwann entschlüsseln;
  • unverschlüsselte Daten werden gespeichert, wenn sie interessant (zweiter Filter?) sind;
  • von den uninteressanten Daten werden die Meta-Daten-Header dauerhaft gespeichert.

So entsteht ein Bild globaler (Internet-)Kommunikation, wer wann mit wem kommuniziert hat und auf welchem Kanal: VoIP, Skype, E-Mail, Chat, Facebook. Dazu kommen Downloads, besuchte Web-Seiten, Suchanfragen, Cloud-Backups – einfach alles, was durch diese Super-Leitung namens Internet passt. Ich bin mir sicher, es würden sich mehr Menschen aufregen, wenn sie wüssten, das normale Telefonie im Backbone auf IP-Basis (VoIP) abgewickelt wird.

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  1. Neuland! Merkel! Abgehört? » Hightech und Blech - 23. Oktober 2013

    […] Regierung verwirrt mich, denn Pofalla hatte den Aufklärungsskandal […]

  2. Ausspioniert unter Freunden » Hightech und Blech - 25. Oktober 2013

    […] Regierung Merkel, weil Kanzleramtsminister Pofalla die Totalüberwachung per Wortklauberei deckt. [ spiegel.de .. (13. August) […]

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